Forschungsprojekt analysiert Antisemitismus-Kontroverse


Unter dem Titel „Antisemitismus und postkoloniale Debatten am Beispiel der documenta fifteen“ startet in Kassel und Frankfurt die Erforschung der Kontroverse um die documenta fifteen. Bei dem Forschungsprojekt handelt es sich um eine Kooperation des documenta Instituts mit der Bildungsstätte Anne Frank und der Frankfurt University of Applied Science unter der Leitung von Prof. Dr. Meron Mendel und Prof. Dr. Heinz Bude. Finanziert wird das vom 1. September 2022 bis zum 31. Dezember 2023 laufende Projekt aus dem Innovationsfonds des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst.


Die Antisemitismus-Kontroverse um die documenta fifteen zählt schon jetzt zu den zentralen kulturpolitischen Ereignissen unserer Zeit. Fernab der Frage, wie es zu konkretem Antisemitismus auf der documenta kommen konnte, offenbart sich gerade auch die Kontroverse selbst als deutungsbedürftig. Denn zu den in den Medien vehement geführten Diskussionen mit sich verhärtenden Positionen gehören zur documenta fifteen etwa auch vielfältige Erfahrungen einer sorglos scheinenden Festivalatmosphäre vor Ort in Kassel.

 „In den letzten Monaten haben wir erlebt, wie festgefahren die Debatte ist. Mit der Studie wollen wir analysieren, woran diese Polarisierung liegt, welche Grundkonflikte darin zum Vorschein kommen und wie Veranstalter von internationalen Kunst- und Kulturfestivals in Zukunft auf solche Konflikte reagieren können“, so Prof. Dr. Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank und Professor für transnationale soziale Arbeit an der Frankfurt University of Applied Sciences.

Prof. Dr. Heinz Bude, Soziologe und Gründungsdirektor des documenta Instituts in Kassel, betont: „Die epistemologische Kulisse der documenta ist durcheinandergeraten. Das betrifft das System der Gegenwartskunst, den Ruf der Bundesrepublik, die Identität der Stadt und die Kompetenz der Organisation gleichermaßen. Das Ganze hat einen Knacks erlitten. Das Forschungsvorhaben hat die Aufgabe, die Risse erkennbar, die Reparaturen nachvollziehbar und die Folgen abschätzbar zu machen.“

Das Forschungsprojekt um Prof. Dr. Meron Mendel und Prof. Dr. Heinz Bude wird der Frage nachgehen, wie die verschiedenen Aspekte der documenta fifteen im konkreten Fall der Diskussion über Antisemitismus zusammengehen. Auf der Grundlage der Befragung und Beobachtung von Besucher*innen und Beteiligten, der Analyse des öffentlichen Diskurses sowie von Gruppendiskussionen mit Beobachter*innen aus dem Feld der Kunst wird der Streit um der documenta fifteen herausgearbeitet. Es geht darum, die Affekte in den Argumenten, die Perspektiven in den Positionen und die Einsätze in den Haltungen deutlich zu machen.

Finanziert wird das Projekt aus dem Innovationsfonds des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst. Die Hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Angela Dorn, sagt dazu: „Auf der documenta fifteen wurden antisemitische Werke gezeigt, die nicht hätten gezeigt werden dürfen. Die Debatte über diese Werke hat einmal mehr bewiesen, wie tief Antisemitismus in unserer Gesellschaft weiterhin verankert ist. Mit der Frankfurt University of Applied Sciences, der Bildungsstätte Anne Frank und dem documenta Institut arbeiten jetzt drei hochkarätige Einrichtungen mit ihrem jeweils unterschiedlichen Know-How daran, Lehren aus dieser Erfahrung zu ziehen. Wir ermöglichen diese einzigartige und methodisch innovative Zusammenarbeit, um wichtige wissenschaftliche Impulse für Kulturpolitik und Kulturbetrieb zu erhalten. Denn Antisemitismus bedroht die Grundlagen unseres friedlichen Zusammenlebens und steht einem freien und offenen kulturellen Austausch diametral entgegen.“

Die Bildungsstätte Anne Frank begleitet das Forschungsprojekt mit Workshops für Sensibilisierung von Institutionen im Kunst- und Kulturbetrieb zu den Themen Antisemitismus und Rassismus.