Am Donnerstag, 7. März 2024 eröffnet die Soloausstellung der ukrainischen Künstlerin und wissenschaftlichen Mitarbeiterin des documenta Instituts Lada Nakonechna in der Galerie EIGEN + ART in Berlin.
In Below Ground Level hinterfragt Lada Nakonechna konventionell geeignete künstlerische Formen, um die Gegenwart aus ihrer Sicht und Position inmitten des russisch-ukrainischen Krieges darzustellen. Sie schlägt vor, zu den Grundlagen vorzudringen, die künstlerischem Schaffen und Interpretationspraxis zugrunde liegen, um mögliche künstliche „Krücken“ zu erforschen, die unsere Wahrnehmung und unser Urteilsvermögen stützen.
Landschaft ist ein bedeutendes Genre in der europäischen Kunst. Nakonechna setzt hier an und dechiffriert dessen bestimmende Faktoren sowie seine passive Rolle. Ihre neuesten Werke basieren auf im Internet gefundenen Fotografien anonymer und spezifischer Orte, die von Zerstörung, Verwüstung und Kriegsverbrechen zeugen. Der Himmel ist das zentrale Thema dieser Landschaft. Die Künstlerin lädt uns jedoch ein, in einen bedrohten Himmel zu blicken, der ohne Perspektive gänzlich vom flachen Hintergrund anderer Bildelemente umschlossen ist – aussichtslos. Auch bei der Darstellung von Wolken aus der Luftperspektive geraten wir in ein Wahrnehmungsdilemma. Es handelt sich hier nicht um ein atmosphärisches Phänomen. Stattdessen entstehen die lockigen Wolkenformen in der ukrainischen Landschaft durch Explosionen, die von präzisionsgelenkten Bomben verursacht werden.
Lada Nakonechna bearbeitet die Bilder so, dass sich diese absichtliche Manipulation selbst darstellt: Sie collagiert ein Foto mit einer eigenen Zeichnung, entfernt Details oder fügt welche hinzu, zeichnet die fotografischen Fragmente neu und fertigt digitale Kopien an. Der Grad des Realismus in der Zeichnung bestätigt oder untergräbt dabei den Realismus des Fotos. Künstlerische Medien befragen sich gegenseitig nach ihren Werten und ihrem Potenzial, die Authentizität einer Tatsache auszudrücken. Dies führt zu einer weiteren Frage, die Nakonechna in ihrer künstlerischen Praxis zu beantworten versucht: unser Ausmaß an Abhängigkeit von medialen „Krücken“. Die der Künstlerin eigene, neu erfundene Sprache eines bestimmten Krieges kann in der stereotypen abstrakten Katastrophe undeutlich werden, wenn sie in konventionelle Medien und institutionelle Bezugsrahmen gezwungen wird. Nakonechna ist sich dessen bewusst und legt den Bildern absichtlich bestimmte geometrische Raster und kompositorische Strukturen auf – z. B. ein Browserfenster oder die vertikale und horizontale Vorschau der Suchergebnisse, wie diese angezeigt werden. Die künstlerischen und medialen Methoden der Rahmengebung können die Realität manipulieren, indem sie bestimmte Details hervorheben oder ignorieren.
Der Ausstellungsraum als Bilderrahmen bietet ebenfalls einen Rahmen für unsere Wahrnehmung. Er erzeugt ein Gefühl von Distanz und Sicherheit und schützt die Betrachtenden vor Bildern, die möglicherweise außerhalb ihrer Wahrnehmungsfähigkeit liegen. Der Fensterrahmen beispielsweise teilt den Raum metaphorisch in das Vertraute und das Unbekannte auf und vermittelt so ein paradoxes Gefühl relativer Sicherheit. Darüber hinaus ist die Ausstellung auch ein öffentlicher Raum, der es uns ermöglicht, gemeinsam die Realität der Gefahr, des Todes und der ausgehenden Katastrophe zu beobachten; die Welt ohne vertrauten Boden, auf dem wir stehen können.
Text: Kateryna Badianova
Übersetzung: Hagen Hamm