Symposium in Kassel, 5. - 6. Juli, 2024
In der Forschung über Gegenwartskunst ist zuletzt wieder verstärkt über die Kategorie Form nachgedacht worden. Dabei fassen aktuelle Positionen Form dezidiert als politisches Problem auf und überwinden damit tradierte (und oft zu Unrecht als unpolitisch gebrandmarkte) Vorstellungen eines ästhetischen Formalismus. Das Symposium folgt diesem Impuls und verbindet ihn mit der Annahme, Form nicht lediglich als ästhetische Erscheinung gedacht werden kann, sondern dass sie als solche immer auch soziale Form ist. Dieser Ansatz erlaubt, ganz unterschiedliche Probleme der Gegenwartskunst auf neue Weise aufzuschlüsseln. Darunter etwa die Ausstellungsförmigkeit der Gegenwartskunst, Fragen der Wertform, infrastrukturelle Bedingungen und verdinglichte Arbeitsverhältnisse, das (mimetische) Verhältnis zwischen sozialer Realität und Kunstwerk. Gerade indem Form als soziale Form verstanden wird, können auch Aspekte wie Race, Class und Gender adressiert werden, die den Kunstwerken als gesellschaftliche Zusammenhänge auf gleiche Weise eingeschrieben sind, wie diese ihre Inhalte formen.
Das Symposium knüpft mit seinem Thema an einschlägige Debatten der letzten Jahre an. Dazu zählt etwa der Vorschlag, mit dem Begriff des „Formats“ den des „Mediums“ abzulösen, um den digitalen Bedingungen der Gegenwartskunst Rechnung zu tragen. Oder auch die Überlegung, die Kategorie Form neben der Kunst auch in alltäglichen Mustern der gesellschaftlichen Ordnung zu lokalisieren. Die Ausweitung der Kategorie Form bedeutet allerdings nicht dessen Auflösung. Vielmehr zeigt sich in den verstreuten Debatten (in denen der Formbegriff selbst mitunter explizit vermieden wird), dass die Kategorie Form um den Aspekt der Vermittlung durch und als Form ergänzt werden muss. Denn erst im Geworden-Sein der Form artikuliert sich die Autonomie der Kunst.
Während die Theoriebildung zur Kategorie Form in der Gegenwartskunst im Zentrum des Symposiums steht, wird es auch immer wieder darum gehen, (vergessene) formalistische Traditionen erneut aufzugreifen und sie für das Jetzt produktiv zu machen.
Die Veranstaltung ist Marina Vishmidt (1976–2024) gewidmet, die für das Symposium einen Vortrag geplant hatte und deren Nachdenken über Form als soziale Form eine Inspiration bleiben wird.